Ein Leserbrief zu dem gleichnamigen Artikel in der Bruchsaler Rundschau vom 24. April 2023.
Frau Oberbürgermeisterin kann nicht genug betonen, dass sie um Transparenz bemüht ist, bei der Frage wie und wo erneuerbare Energien eingesetzt, vor allem, wo Windkraftanlagen (WKA) auf städtischem Gebiet aufgestellt werden sollen. Es ist löblich, dass eine frühzeitige Information der Bürgerschaft darüber erfolgt. Gleichzeitig wäre es auch geboten, die Bürgerschaft nicht nur über Chancen sondern auch über die Risiken beziehungsweise die Nachteile eines Einsatzes von erneuerbaren Energien, insbesondere der Windkraft zu informieren. In dieser Hinsicht sollte ebenfalls die nötige Transparenz hergestellt werden.
Wer das von dem 2. Bruchsaler Energieforum erwartet hatte, wurde sichtlich enttäuscht. Die Veranstaltung war ein Hochgesang auf die Erneuerbaren und die Energiewende. Keine Bedenken, kein Hinweis auf Risiken oder kritische Einwände – mit Ausnahme der 1. Vorsitzenden von Gegenwind e.V., Frau Berberich.
Viele Befürworter
Der Redner des Impulsvortrags, ein leitender Berater von AGORA und nach eigener Aussage seit 40 Jahren im Geschäft, war nicht in der Lage seinen Vortrag in der ihm zur Verfügung gestellten Zeit zu beenden. Die zuletzt gezeigten Folien wurden im Sekundentakt präsentiert. Vom Moderator zum Beendigen der Präsentation gedrängt, beklagte Herr Rosenkranz noch, dass er weitere 50 Folien parat hätte. In seinen Ausführungen ging er mit keinem Wort auf das für den europaweiten CO2-Ausstoss effektivste Instrument, den europäischen Zertifikatehandel (ETS, emission trade system) ein. Stattdessen nur die bekannten Forderungen nach immer mehr regenerativer Energie in allen Sektoren. Auch beschrieb er ausführlich die Nichteinhaltung der CO2-Minderungsziele der einzelnen Sektoren, wahrscheinlich in Unkenntnis des Statements des bekannten Klimaforschers Mojib Latif, der sagte: „Wenn ich einige Politiker in Deutschland höre, die sagen, dass wir unsere Emissionen senken müssen, damit das Klima nicht aus dem Ruder läuft, dann ist das so nicht richtig. Es zählt nur der weltweite Ausstoß. Solange China oder Amerika ihren Ausstoß nicht deutlich verringern, ist es völlig irrelevant, was wir tun.“
Der Vertreter der AGNUS, der sich zur Windkraft bekannte, diskreditierte alle Vogelfreunde unter den Windkraftgegnern mit seiner pauschalen Behauptung, dass die Sorgen derselben um die windkraftsensiblen Vogelarten (Rotmilan, Wespenbussard etc.) nur vorgeschobene Argumente seien, statt sich darüber zu freuen, Mitstreiter und Unterstützer im Kampf um den Erhalt dieser Vögel zu gewinnen. Auch scheint es ihm nicht erwähnenswert, dass zukünftig nach dem neuen §6 des Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) im Genehmigungsverfahren ein Wegfall der Umweltverträglichkeitsprüfung und der artenschutzrechtlichen Prüfung nach §44 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BnatSchG) vorgesehen ist, soweit die Errichtung und der Betrieb einer Windkraftanlage in einem „Windenergiegebiet“ beantragt ist. Dieses im WindBG beschriebene Vorgehen steht im Widerspruch zur EU-Gesetzgebung! In Folge der Vogelschutzfrage wurde darüber fabuliert, dass entsprechende Vorrichtungen (Antikollisionssysteme) auf den WEAs installiert würden, die derartige Vögel (je ein System pro Vogelart) im Anflug erkennen und die Rotoren zum Stehen bringen.
Zur allgemein bekannten Achillesferse der Energiewende, der nicht vorhandenen Strom- / Energiespeicherung, nannte der Vertreter der Zukunftseltern die allzeit probaten PtX (Power to irgendwas) -Techniken sowie das inzwischen herbeigeredete Allheilmittel PtH2 – Wasserstoff, ohne jedoch zu sagen, dass bei dessen Produktion, Transport und Wiederverwendung als Brennstoff etwa 75% der ursprünglichen Energie verloren gehen, sodass nur ein Viertel der eingesetzten Energie letztlich genutzt wird. Auch von neuen Batterien wurde schwadroniert, ohne festzustellen, dass deren Verwendung im benötigten TWh (Terawattstunden = Billionenwattstunden) – Bereich unbezahlbar ist.
Masterplan: Klimaneutralität
Der vom Stadtplanungsamt präsentierte Masterplan „Erneuerbare Energien“ stellte für viele Besucher des Enegieforums den wichtigsten Teil der Veranstaltung dar. Was allerdings hierbei nicht ganz klar wurde, dient der Masterplan einer sicheren städtischen Energieversorgung in der Zukunft oder einer Minderung des CO2-Ausstosses, vermutlich sicher beidem.Aber Zahlen zur CO2-Minderung wurden bei den dargestellten Szenarien keine angegeben. Dabei möchte doch die Stadt bis 2040, also 5 Jahre vor dem Bund klimaneutral werden. Mit klimaneutral ist hier sicher treibhausgasneutral gemeint. Ausgangspunkt des Masterplans sind Energieverbräuche des Jahres 2016. Die vorgestellten Standorte der WKAs waren keine echte Überraschung, griff man doch auf die schon 2014 genannten Gebiete zurück. Begründet wurde dies mit einer von der LUBW bestätigten hohen Windhöffigkeit. Die LUBW selbst stellt zu den von ihr ermittelten Potenzialen fest: „im Rahmen eines solchen landesweiten Berechnungsmodells bilden die ermittelten Potenziale deshalb keine Planungsgrundlage, sondern dienen der Orientierung und ermöglichen einen strategischen Überblick. Vor dem Beginn konkreter Planungsvorhaben ist in jedem Fall eine detaillierte Einzelfallprüfung erforderlich.“ Das heißt, die berechnet hohe Windhöffigkeit muss erst durch konkrete Windmessungen bestätigt werden.
Wie 2014 liegen alle vorgeschlagenen Windenergiegebiete im Wald, auf städtischem Grund. Zur Eindämmung des Klimawandels soll Wald, der selbst eine hohe Bedeutung für den Klimaschutz als CO2-Speicher und Wasserreservoir hat, geopfert werden. Der Wald ist ebenso wichtig für den Artenschutz und die Biodiversität, die gerade im Stadtwald mit seinem alten Baumbestand noch vorhanden ist. Hier liegt ein hohes Konfliktpotential in der Planung.
Es bleiben Fragen offen
Nach der Veranstaltung bleiben noch viele Fragen unbeantwortet. So zum Beispiel: Will Bruchsal mit den Maßnahmen des Masterplans Energie-autark werden? Garantiert eines der drei im Masterplan gezeigten Szenarien mit 100 % regenerativer Stromerzeugung nach 2040 eine sichere Stromversorgung? Wie hoch ist jeweils die gesicherte Leistung eines Szenarios? Wer liefert nach dem Kohleausstieg im Jahr 2030 die Residuallast bei mangelndem Wind- und Sonnenaufkommen? Und generell die Energiewende betreffend: Kann der im Osterpaket von 2022 geforderte Ausbau der Windenergie auf 115 GW, entsprechend einem täglichen Zubau von fünf bis sieben WEAs ab 2025, bei dem derzeitigen Material- und Fachkräftemangel gelingen? Leben wir dann in einer Strommangelwirtschaft, die durch eine Flexibilisierung des Stromangebots, sprich zeitweiser Stromabschaltung, kaschiert werden muss? Wie sicher ist eine Stromversorgung bei 100% regenerativer Energie? Wie erfolgt die Frequenzstabilisierung, insbesondere die Momentanreserve, die derzeit noch durch die riesigen Generatoren der konventionellen Kraftwerke abgedeckt wird? Ist das 100% regenerative System im Falle eines Blackouts auch schwarzstartfähig, das heißt, kann es aus sich heraus wieder ein stabiles Netz aufbauen? Zu welchem Preis wird dann die kWh Haushaltsstrom geliefert, die heute schon weltweit die zweitteuerste nach Dänemark ist. Der häufig gepriesene niedrige Preis für den Windenergiestrom ergibt sich nur, weil die Kosten für den benötigten Netzausbau und für den Betrieb der Backup-Kraftwerke nicht eingepreist werden.
Dr. Bernd Stojanik